EURACTIV: „EU-Erweiterung bis 2030: Ampel macht Druck“

Mit Nick Alipour von Euractiv habe ich darüber gesprochen, ob eine EU-Erweiterung bis 2030 erstrebenswert und realistisch ist. Der Beitrag ist hier in voller Länger abrufbar.

Europapolitiker der Ampelkoalition sprechen sich für die schnelle Aufnahme neuer Mitglieder in die EU und europäische Reformen aus. Experten warnen zudem vor den geopolitischen Risiken einer verzögerten Erweiterung.

Eine Expertenkommission unter dem Vorsitz der Europaminister Deutschlands und Frankreichs hatte letzte Woche einen Bericht veröffentlicht, in dem sie die Erweiterung der EU bis 2030 für unerlässlich hält. Gleichzeitig schlägt sie eine Reihe weitreichender EU-Reformen vor, die zur Vorbereitung durchgeführt werden müssten.

Bundestagsabgeordnete begrüßten nun die Vorschläge und betonten die Gefahren, die von einer Verzögerung ausgehen würden.

„Wenn beide Seiten die notwendigen Reformen durchführen, könnte 2030 ein Beitrittsjahr werden“, sagte Christian Petry, Abgeordneter und europapolitischer Sprecher der regierenden SPD, gegenüber Euractiv.

„Der Status quo [ist] kein stabiler“, warnte er und griff damit eine erste Reaktion der Grünen auf.

„Der Beitritt neuer Mitgliedstaaten liegt im Interesse der EU. Er wird diese stärker, stabiler und sicherer machen“, argumentierte Chantal Kopf, europapolitische Sprecherin der Grünen, letzte Woche. Sie fügte hinzu, dass „europäische und demokratische Grundwerte gerade so stark angegriffen werden wie schon lange nicht mehr.“

Ein neuer Bericht des Think Tanks Centrum für Europäische Politik (CEP), welcher am Dienstag (26. September) veröffentlicht wird und Euractiv vorliegt, bestätigt die Sorge über mögliche Gefahren einer verzögerten Erweiterung.

Um „gefährliche externe Einflüsse oder Machtspiele in der Region einzudämmen“, müsse die EU dringend insbesondere die sechs Staaten des Westbalkans aufnehmen, die seit etwa einem Jahrzehnt im Wartezimmer der EU festsitzen, schreibt Eleonora Poli, Forscherin am CEP in Rom.

„In Zeiten, in denen sich Machtzentren um Regionen herum bilden, würde die EU signalisieren, dass sie nicht stark genug ist, um als eine zusammenhängende regionale Macht zu agieren, wenn sie die Integration von Teilen ihrer eigenen geografischen Region verzögert“, sagte sie gegenüber Euractiv. Sie merkte an, dass China, Russland und Saudi-Arabien bereits versuchten, ihren Einfluss auf dem Balkan zu stärken.

Polen als Hindernis

Es besteht jedoch die Sorge, dass der ehrgeizige Zeitplan an internem Widerstand gegen Reformen scheitert, welche laut dem deutsch-französischen Bericht eine wesentliche Voraussetzung für eine Erweiterung wären.

„Das größte Hindernis ist der fehlende politische Willen in einigen Mitgliedstaaten, gerade aus solchen, die sich selbst als Befürworter eines schnellen Beitritts insbesondere der Ukraine sehen“, so Petry.

Die polnische Regierung hat sich zwar vehement für eine ukrainische EU-Mitgliedschaft eingesetzt, ist aber nach wie vor gegen Maßnahmen wie die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen innerhalb der EU.

„Aufgrund des mangelnden politischen Willens scheint die Frist 2030 im Moment nicht realistisch“, sagte Poli gegenüber Euractiv.

Kein Schwung nach den Wahlen?

Der Prozess könnte jedoch auch durch das Fehlen einer einheitlichen Europapolitik innerhalb der Ampel aufgehalten werden.

So begrüßte die FDP zwar die „[weitreichenden] Vorschläge“ der deutsch-französischen Kommission; sie lehnte es jedoch kategorisch ab, die europäische Finanz- und Steuerpolitik durch Mehrheitsentscheidungen statt durch Einstimmigkeit zu regeln, wie von den deutsch-französischen Experten gefordert.

Dies wäre „ein Irrweg“, sagte Michael Link, Sprecher der FDP für internationale Angelegenheiten, gegenüber Euractiv.

Die Rolle Deutschlands als Antreiber im Erweiterungs- und Reformprozess könnte sich zudem auf halbem Wege umkehren. Denn bei der Bundestagswahl 2025 zeichnen sich derzeit ein Regierungswechsel und ein Rechtsruck ab. In den Umfragen ist die SPD hinter der Union und der AfD auf den dritten Platz zurückgefallen.

Während die CDU den deutsch-französischen Bericht noch prüft, tritt sie bei der Erweiterung bereits auf die Bremse.

„Nicht das Datum bestimmt den Beitritt, sondern die Erfüllung der Voraussetzungen – insbesondere im Bereich der Rechtsstaatlichkeit“, sagte Gunther Krichbaum, CDU-Abgeordneter und europapolitischer Sprecher, gegenüber Euractiv.

„Verhandlungen für eine Vollmitgliedschaft können viele Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern und Rückschritte sind dabei nicht selten“, warnte Krichbaum und nannte es einen Fehler, ein Zieldatum festzulegen.

Dennoch bezeichnete Petry die Chancen für eine Erweiterung als „so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr“.

Die nächsten Schritte in Bezug auf die deutsch-französischen Vorschläge werden von den EU-Regierungen voraussichtlich auf dem am Mittwoch beginnenden informellen Gipfel des Europäischen Rates zu allgemeinen Angelegenheiten diskutiert werden.“